Die Insel TORCELLO ist ganz anders als Venedig.
Dass man hier Ruhe und Abstand gewinnen kann vom quirligen Venedig, das merkt jeder sofort, der mit der Vaporetto-Linie 12 von Burano aus kommend hier an dem kleinen Stationshäuschen ankommt.
Diese Insel liegt weit draußen in der nördlichen Lagunen-Landschaft von Venedig und weil die Gezeiten hier kaum mehr zu bemerken sind, nennen die Venezianer sie auch 'Laguna morta'. Hier gibt es kaum "Sensationelles" zu besichtigen. Wer hierher kommt, der sehnt sich wie Hemingway nach Ruhe vom Trubel Venedigs, nach Natur und Einfachheit.
Am besten kommt man erst, wenn der nachmittägliche Besucherstrom schon wieder auf der Rückfahrt ist – so haben wir es jedenfalls gemacht und nicht bereut.
Ich fühlte mich sofort wie "auf dem Land", habe begeistert aufgeatmet wegen all dem Grün und den großen, teils verwilderten Wiesen und alten Bäumen um mich herum und ein Gefühl von Ruhe und Frieden hat sich in mir ausgebreitet.
Das hatte ich gelesen, dass hier heute nur noch etwa 25 Menschen fest wohnen. Aber die wenigen Häuser konnte ich mir nach der Enge und der dichten Bebauung von Venedig gar nicht so recht denken.
Dass Torcello – wie ich aus Wikipedia erfahre – im 10. Jahrhundert vermutlich 10.000 bis 20.000 Einwohner gehabt hat, eine reiche und bewegte Geschichte besitzt und größer und reicher war als Venedig, kann man sich nur schwer vorstellen.
Auch auf dieser Insel gibt es zum Glück keine Autos und Straßen, nur ein hübsch angelegter Fußweg windet sich entlang des Hauptkanals durch die langgestreckte Insel.
Auf der linken Seite des Weges kommen bald ein paar einfache, ländliche Steinhäuser, drei davon sind Trattorien mit schön angelegten Gärten dahinter. Wir legen hier eine gemütliche Rast ein, bestellen einen Cappuccino und eine hausgemachte Tiramisu, genießen die Ruhe und den Blick auf den Kanal und die kleine Brücke, die darüber führt.
Es ist die sagenumwobene 'Ponte del Diavolo' (Teufelsbrücke), vermutlich gebaut im 16. Jh., zu der es eine märchenhafte Legende von einem Liebespaar zu lesen gibt, das einen Pakt mit dem Teufel einging, um sich heimlich treffen zu können, obwohl die Eltern gegen die Verbindung waren.
Die Ponte Diavolo ist eine der beiden einzigen Brücken Venedigs, die bis heute ohne Geländer geblieben sind und genau das, finde ich, macht sie so einzigartig schön anzusehen.
Folgt man dem fast geraden Weg sieht man bald den trutzigen Campanile der 'Basilika Santa Maria Assunta' (Maria Himmelfahrt) in den Himmel ragen.
Die romanische Santa Maria Assunta ist, so heißt es, durch den Narthex (Vorhalle) mit der byzantinischen Kirche 'Santa Fosca', der Rundbau davor, verbunden.
Der ganze Komplex wirkt auf mich herrlich schlicht und schmucklos.
Chris und ich unterhalten uns darüber, dass wir beide das Gefühl haben, dass diese Gebäude vielleicht bereits entstanden sind, bevor die Kirche als Institution so grausam und geldgierig wurde. Der Baustil wirkt auf das Wesentliche konzentriert und dieser klare ursprüngliche Baustil imponiert uns.
Wir wandern um die Kirche herum, an mächtigen Zypressen vorbei, entdecken versteckte Wege, die zu weiteren Kanälen führen, zu angelegten Feldern oder durch wildes Dickicht.
Auf dem abendlichen Rückweg schauen wir über schmiedeeiserne Gartenzäune in Weingärten mit verwitterten Steinfiguren und wollen eigentlich noch gar nicht heimfahren.
Ich bin so sehr verzaubert von dieser verwunschenen Landschaft, dass ich mir fest vornehme, bald wieder herzukommen – vielleicht dann für eine längere Wanderung in der Stille und Natur der wunderschönen Insel.
Vielleicht auch noch anschauen: Diesen fantastischen Kurzfilm von Mattia Rizzi über Torcello !






